Mount Maunganui. Es ist warm und windig, im Schatten des
Berges ist in der kleinen Stadt der Sommer ausgebrochen. Geschäft an Geschäft
reiht sich an der kleinen Hauptstraße entlang und jeder, der hier längs läuft
ist entweder auf dem Weg zum Strand oder kommt da gerade her. Bauchfrei und
Hotpants die Mädels, oben ohne und Surfshorts die Jungs. Die Surferlocation der
Ostküste zeigt sich von ihrer Schokoseite, von der Ölpest 2011 durch den
havarierten Frachter „Rena“ keine Spur.
Blick vom Mount Maunganui auf den Strand
Taupo. Nur noch Wind, weniger Sonne. Am anderen Ende des
Sees erheben sich stolz die Vulkane Ruapeho und Ngaurohoe, besser bekannt als
der Schicksalsberg aus „Herr der Ringe“. Auf dem Weg nach Turangi raucht es
zwischen den Bäumen am Berghang – heiße Quellen, die zum Baden verlocken.
Heiße Quellen bei Turangi
Whanganui River. Der Tui-Vogel ruft seine charakteristische
Melodie, während unsere Paddel rhythmisch in den Fluss stechen.
Farnlandschaften soweit das Auge reicht, von bodennah bis palmenhoch. Am
Uferrand grasen Ziegen, die da eigentlich nicht hingehören, aber Geschmack an der
Wildnis gefunden haben. Die nächste Stromschnelle ist heiß ersehnt, weil man im
ruhigen Wasser soviel paddeln muss, um voran zu kommen. Nikola quietscht, wenn
das Wasser ins Kanu spritzt, ein aufgeschnittener Plastikcontainer hilft
hinterher, das Kanu wieder trockenzulegen. Abends sind die Arme lahm, das
mitgeschleppte Anlegebier schmeckt so gut wie nie. Sorte: Tui, passend zum
Vogelgezwitscher. In der zweiten Nacht schaffen wir es, dem Schnarcher aus der
ersten Nacht zu entkommen – nun wackelt stattdessen das Nachbarzimmer.
Pünktlich zu Weihnachten paddeln vier Weihnachtsmützenträger; lachende
Gesichter, viel Ho-ho-ho und Merry Christmas empfangen uns, als wir nach drei
Tagen am Ziel anlanden.
Wellington/Picton. Uhrzeit verschätzt, auf die Tube gedrückt,
Fähre trotzdem noch gekriegt. Wellington verschwindet in der Ferne und wir
bereuen, es nicht doch noch angeguckt zu haben. Zu viele Orte, zu wenig Zeit,
verflixt. Jubelschrei, als zur rechten ein Wal auftaucht, nach einem
fontänenartigen Gruß verschwindet er wieder in der Tiefe.
Die Marlborough Sounds heißen uns willkommen.
West Coast. Die „Wet Coast“ macht ihrem Namen diesmal nicht
alle Ehre, es ist warm und sonnig. Kreuz und quer und hoch und runter
schlängelt sich die Straße die bergige Küste entlang. Blau-türkises Meer auf
der einen, Wald in allen Grüntönen auf der anderen Seite. Riesige Wellen rollen
an den weißen Strand und brechen mit dumpfem Grollen. Abends hängen
Glühwürmchen in bemoosten Wänden und über uns die Milchstraße. Die Gletscher haben in den letzten fünf
Jahren viel eingebüßt und sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. Vom Strand kann
man sie trotzdem noch sehen, meinen Lieblingscampspot gibt es noch, nur diesmal
ist er brechend voll. Am Strand sitzend beobachten wir die Sonne, die langsam
feuerrot am Horizont verschwindet und die Gletscher und Berge in rosa Licht
taucht, während vor uns Feta-gefüllte Champignons und Steaks auf dem Grill
brutzeln. Und die Wellen rollen an den Strand.
Fiordland. Mit „i“, weil sich der erste Entdecker
verschrieben hat. Und wer es nicht im Regen gesehen hat, war noch nicht
wirklich da. Der dreitägige Kepler-Treck wartet auf uns. Dick bepackt mit
Rucksäcken und Regenausrüstung wandern wir los und fühlen uns wie kleine
Hobbits auf dem Weg ins große Abenteuer. Nach den ersten anderthalb Stunden
fällt auf, dass wir im Chaos des Aufbruchs unsere Abendrationen für drei Tage
im Auto gelassen haben. Hunger oder Sporteinlage? Keine Frage, in Wanderschuhen
joggen wir zu zweit die Strecke zurück, um sie gleich nochmal zu laufen.
Eieiei, guter Start. Oben in der Hütte auf dem Berg stoßen wir mit mühsam
heraufgeschlepptem Wein auf das neue Jahr an, das durch den Regen- und
Schneesturm, der um die Hütte heult, nicht zu sehen ist. Bei etwas ruhigerem Wetter wandern wir
über Grate und Bergrücken. Faszinierende Wolkenspiele, jedes Loch im Nebel
eröffnet völlig ungeahnte Perspektiven. Ein Kea leistet uns Gesellschaft und
möchte unseren Reiseproviant stibitzen. Lange stehenbleiben ist aber nicht
drin: Wer sich nicht bewegt, dem wird schnell kalt. Zuletzt wird klar, woraus
die grauen Wolken bestehen. Einen ganzen letzten langen Tag regnet es auf uns
hernieder, während wir versuchen um die stetig größer werdenden Pfützen auf dem
Weg zu stiefeln. Erst durch meinen Hut, dann dringt das Wasser durch meine
etwas lecken Schuhe. Anschließend ist die Jacke durch, die Regenhose hält am
längsten, aber auch nicht ewig. Der Rucksack immerhin bleibt trocken. Schön für
ihn, denke ich und überlege, ob ich mich nächstes Mal in ein
Ganzkörper-Rucksackcape hüllen sollte. Das Wohnmobil bietet ein vorher ungeahntes
Komfortniveau, in unsere Decken gekuschelt fahren wir die kurvige Straße zum
Milford Sound. Welcher Sound? Durch Regen und Wolken sieht man ihn gar nicht.
Wir schlafen eine Nacht drüber und siehe an: Am nächsten Tag wunderschöne
Aussichten bei einer Bootsfahrt.
Southland. Weite Felder und Wiesen, auf denen Schwarzbunte
weiden. Kalter Wind, bewölkter Himmel, fast ein bisschen wie zuhause, wenn das
Land hier nicht so ewig weit zum Horizont reichen würde. Schöne Buchten mit
weißen Stränden laden zum Verweilen. Ab und zu werden sie von Seelöwen und
seltenen Gelbaugen-Pinguinen bewohnt, die mit Glück in der Abenddämmerung auf
dem Weg zu ihren Nestern zu erspähen sind. Die Otago Peninsula sieht aus als
hätte man skandinavische Bootshäuschen an die französische Mittelmeerküste gesetzt. In der
Ferne schweben ruhige Schatten in der steifen Brise, Albatrosse mit Flügeln, so
lang, dass sie sie kaum bewegen müssen, um in der Luft zu bleiben.
Christchurch. Drei wunderbare Wochen schon vorbei und viel
zu schnell verflogen. Die Eltern sind auf dem Weg zum Flughafen, während wir
ausprobieren, wie hoch ein Kantstein sein muss, damit ein Autoreifen platzt. Er
war hoch genug und wir den Rest des Nachmittags mit Reifenwechsel und dem Kauf
eines neuen Reifens beschäftigt. Die Straßen sind nach dem Erdbeben halbwegs
geflickt, es rumpelt trotzdem ziemlich. Das Zentrum ist ein Trümmerfeld und
still wie eine Geisterstadt. Die Kirche ohne Turm, abgesperrt und halb
verfallen, wo ich vor fünf Jahren noch versunken in Weihnachtserinnerungen
einer Orgel lauschte. Leere Schaufenster, kein einziges Café, die historischen
Gebäude zerfallen und abgesperrt, wo vorher fröhlich schwatzende Leute
flanierten. Weite, leere Stellen, wo vorher hohe Häuser thronten. Immerhin:
Parkmöglichkeiten überall. Bunt gemalte Graffittis an den Wänden machen Mut und
bringen Farbe ins dunkle Grau der leeren Fenster. Die Bar, wo wir zu meinem
Abschiedsabend getanzt haben, ist leer, die Fenster mit Holz vernagelt. Aber
sie steht noch. In Christchurch lässt man sich nicht so schnell unterkriegen.